Kein Urheberrecht, kein Problem? Welche Folgen falsches Zitieren haben kann

Ein Beitrag von Lea Sophie Singson, Legal Data Steward bei FAIRagro, Lea-Sophie.Singson@fiz-Karlsruhe.de

Die CC-BY Lizenz ist die wohl am häufigsten auf Forschungsdaten angewandte Lizenz, wenn es der Autorin um ihre Attribution geht. Dass diese aber nur auf urheberrechtlich geschützte Werke vergeben werden kann, ist vielen gar nicht bewusst. Dies wurde bereits hier näher beleuchtet. Trotzdem wird sie auch auf viele Datensätze appliziert, die eigentlich außerhalb des urheberrechtlichen Schutzes liegen. Warum auch diese Datensätze vor Plagiaten und sonstigem Missbrauch geschützt sind, zeigen diese beiden Urteile:

Attribution und das Arbeitsrecht – Konsequenzen für Verstöße gegen die Gute Wissenschaftliche Praxis

Im Februar 2023 erhielt eine Professorin von der Uni Bonn eine fristlose Kündigung wegen mangelnder Zitation anderer Arbeiten in ihrer Publikation. Zu Recht – so das Arbeitsgericht Bonn. Denn damit habe sie gegen die Grundsätze der Guten Wissenschaftlichen Praxis (GWP) und zugleich gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Denn durch die Vorlage mit der Publikation bei der Bewerbung an der Universität habe die Professorin implizit erklärt, dass sie darin die Grundsätze der GWP eingehalten habe. Eine Pflichtverletzung, die nach Ansicht der Universität und dem Arbeitsgericht so schwer wog, dass eine sofortige fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung angemessen war.
Und auch das Verwaltungsgericht Berlin entschied bereits im Jahre 2020, dass der Entzug des Doktorgrades wegen mangelnder Zitierung möglich sei. Auch das Verwaltungsgericht berief sich dabei auf die GWP.

Die Geschichte der Guten Wissenschaftlichen Praxis – vom Ethikkodex zur Hochschulsatzung

Die „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ entstammen der Feder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Als eingetragener Verein eigentlich kein befugtes Organ für das Schaffen von rechtsgültigen Gesetzen. Wie kommt es also dazu, dass Einrichtungen wie die Universität Bonn ihre Arbeitsverhältnisse von der Einhaltung der Guten Wissenschaftlichen Praxis abhängig machen können?


Hier hat die DFG die Einhaltung der Leitlinien durch eine Bedingung im Bereich der Förderung sichergestellt. Sie fördert wissenschaftliche Einrichtungen nur, solange diese die Leitlinien in eigenes Recht umsetzen. Anders ausgedrückt – ohne Sicherstellung einer guten wissenschaftlichen Praxis kein Geld. Deshalb tauchen die Leitlinien auch in verschiedenen Ausgestaltungsformen in den einzelnen Einrichtungen auf. Sei es als Hochschulsatzung, wie bei der Universität Bonn, oder als Zusatz in individuellen Arbeitsverträgen.

Nenne meinen Namen! – Attributionspflicht in der GWP

Hat die GWP nun Einzug in die Institute und Universitäten gefunden, stellt sich die Frage, welche Mittel eine Forschende nun gegen Plagiate oder andere falsche Zitate ihrer Arbeit hat. Wie oben bereits angesprochen, schreibt die GWP eine Pflicht zur Attribution anderer Autor*innen vor. Dass ein Verstoß dagegen arbeits- bzw. dienstrechtliche Konsequenzen und im Extremfall die Kündigung zur Folge haben kann, zeigen die oben geschilderten Urteile. Doch welche Mittel haben die Forschenden gegeneinander? Hier zeigt sich der große Unterschied zum Urheberrecht: Verstößt jemand gegen das Recht auf Namensnennung aus dem UrhG, hat die Urheberin unter Umständen einen direkten Anspruch gegen diese Person und kann ihn auch gerichtlich durchsetzen. Durch die Verletzung der Attributionspflicht entsteht ein Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Verletzer.


Im Unterschied dazu erstrecken sich Verstöße gegen die GWP allein auf das Verhältnis zwischen dem Verletzer und dessen Arbeitgeber. Ob darüber hinaus die Person, deren Recht auf Attribution verletzt wurde, einen Anspruch auf Retribution gegen den Verletzer hat, ist noch nicht geklärt.

Die Gute Wissenschaftliche Praxis – in der Praxis: Vorgehen bei Plagiatsverdacht

Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Betroffener sich darauf verlassen muss, dass die Vorgesetzten ein Plagiat selbst feststellen und aktiv werden. Er kann sich an so genannten Ombudspersonen der jeweiligen Einrichtung des Verletzers mit dem Verdacht auf beispielsweise ein Plagiat wenden. Wie dann das konkrete Verfahren bei Verdachtsfällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten aussieht, bestimmt die jeweilige Einrichtung. Schlüsselwort ist aber jedenfalls das wissenschaftliche Fehlverhalten: nicht jeder Verstoß gegen die GWP stellt ein solches dar. Nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße, die in dem jeweiligen Regelwerk der Einrichtung festgeschrieben sind, bedeuten wissenschaftliches Fehlverhalten. Darunter fällt in der Regel auch das Plagiat, also das Vortäuschen, eine fremde geistige Leistung sei die eigene.

Urheberrecht übertrumpft GWP? – Was kann ein Urheber, was andere nicht können?

Der Unterlassungsanspruch
Nach Paragraph 97 UrhG hat ein Urheber, dessen Urheberrecht verletzt wurde, gegen den Verletzer einen Anspruch auf Unterlassung der Verletzung. Voraussetzung ist eine „widerrechtliche Verletzung“ des Urheberrechts. Widerrechtlich ist die Verletzung dann, wenn sie außerhalb der gesetzlichen Erlaubnis oder einer Gestattung durch den Urheber stattfindet. Ob dem Nutzenden
die Verletzung bewusst oder sogar beabsichtigt war, ist dagegen irrelevant. Hat also jemand Teile des mit einer CC-BY-Lizenz versehenen Werks eines Anderen verwendet, ohne ihn zu zitieren, kann die Urheberin ihn mithilfe des urheberrechtlichen Instrumentariums dazu auffordern dies zu unterlassen.
Aber auch im Verfahren der GWP ist davon auszugehen, dass bei fehlender oder falscher Zitation der Arbeitgeber den Verletzer auffordern wird, dies zu korrigieren, auch wenn die Voraussetzung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens noch nicht erreicht wäre.


Der Schadensersatz
Will der Betroffene darüber hinaus jedoch Schadensersatz, muss die andere Partei die widerrechtliche Nutzung zu verschulden haben. Wird im Falle einer Nutzung außerhalb einer Lizenz ein solches Verschulden festgestellt, kann der Verletzte von der anderen Partei dasjenige verlangen, was dieser hätte zahlen müssen, wenn er auf üblichem Wege eine Lizenz für die Nutzung erworben hätte.
Hier liegt die Besonderheit von Open Access Lizenzen wie der CC-BY-Lizenz darin, dass diese eine gebührenfreie Nutzung erlaubt. Die Rechtsprechung folgert daraus, dass der materielle Wert, der zu erstatten wäre, ebenfalls gleich Null wäre, da dem Urheber auch bei Nutzungen innerhalb der CC-BY Lizenz keine Gebühren zustehen.
Für den Ersatz von so genannten immateriellen Schäden, also solchen Schäden, die nicht das Vermögen betreffen, sind hohe Anforderungen gestellt. Es ist eine schwerwiegende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts notwendig, die nicht auf andere Weise ausgeglichen werden kann. Ob dies bei einer Nutzung ohne Namensnennung angenommen werden kann, ist fraglich.
Die GWP hat dagegen keinen Schadensersatzanspruch.

Wie nehmt Ihr den Schutz durch die Gute Wissenschaftliche Praxis wahr?

Doch geht es den Forschenden denn überhaupt um monetäre Entschädigung bei mangelnder Attribution im Sinne der Entrichtung einer Gebühr? In der Praxis der Open Access Science werden Forschungsdaten häufig „offen“ mit der CC-BY-Lizenz versehen. Dies spricht eher für die Erwartung eines – vielleicht indirekt monetären – Gewinns durch Ansehen und Wahrnehmung der Leistungen der Forschenden. Besteht überhaupt ein Bewusstsein der Forschenden dafür, was die CC-Lizenz rechtlich bewirkt? Und sind die Formalitäten der GWP überhaupt bekannt?

All diesen Fragen wollen wir in unserer Umfrage „Der Gollumeffekt im Forschungsdatenmanagement – Gründe für das Horten von Datenschätzen“ auf den Grund gehen. Klickt hier, füllt sie aus und werdet Teil der Entwicklung von Community-orientierten rechtlichen Trainings und Lösungen!

Dieser Beitrag ist lizenziert unter CC-BY 4.0.




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