Endgegner Urheberrecht

Freund oder Feind der Forschenden?


Unser erster Legal Workshop Mitte April Woche war ein voller Erfolg! Da rege Diskussionen rund um die vorgestellten Themen aus dem Urheberrecht herrschten, soll diese Rechtskolumne noch einmal dazu dienen, thematisch ein wenig ins tiefe Meer des Urheberrechts und der Datenlizenzen einzutauchen.

Das Urheberrecht: was macht das eigentlich?

Würde man Personen in einer spontanen Passanten-Befragung zu ihren Assoziationen mit dem Urheberrecht befragen, wäre die erste Reaktion wahrscheinlich: Kunst oder Musik. Dass aber die künstlerische Tätigkeit gar nicht unbedingt ausschlaggebend für die Frage ist, ob eine Arbeit den Schutz des Urheberrechts genießt oder nicht, ist weniger bekannt. Denn davon profitieren auch unter Umständen ausdrücklich wissenschaftliche Arbeiten nach § 2 Abs. 1 UrhG.

Wissenschaftliche Arbeit, Forschungsdaten … Jacke wie hose?

Nun ist wissenschaftliche Arbeit nicht gleich wissenschaftliche Arbeit. Tatsächlich muss das Werk, um als solches entsprechend der Definition des UrhG angesehen zu werden, einige Anforderungen erfüllen. Man kann sich diese auch als die „vier Säulen“ des Werkbegriffs vorstellen. Diese „vier Säulen“ sind: 1. Eine wahrnehmbare Formgestalt, 2. Das persönliche Schaffen -im Unterschied zu KI-generierten Arbeiten, 3. Einen geistigen Gehalt und 4. Eine eigenpersönliche Prägung – auch genannt Schöpfungshöhe. Diese Voraussetzungen werden von Forschungsdaten nicht immer erreicht, woraus dann wiederum folgt, dass sie nicht durch das Urheberrecht geschützt sind.

schöpfungshöhe – was soll das sein?

Tatsächlich scheitert es meistens an der Anforderung des Erreichens einer hinreichenden Schöpfungshöhe, weshalb ich dieses Merkmal näher unter die Lupe nehmen will. Was so hochgestochen juristisch klingt, lässt sich auf Deutsch einfach beschreiben als ein Mindestmaß an Originalität. Oder wie die Rechtsprechung es nennt: ein hinreichend schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad. Ob dieser erreicht ist, ist aus dem Blickwinkel des jeweiligen Fachkreises zu beurteilen. Ist also meine Arbeit wesentlich durch technische und methodische Vorgaben aus meinem jeweiligen Fachbereich gekennzeichnet und habe ich darüber hinaus im Hinblick auf die Anordnung, die Formulierung und die Ausgestaltung keine wesentliche persönliche Note einfließen lassen, wird meiner Arbeit die notwendige Originalität für das Erreichen der Schöpfungshöhe fehlen. Dies kann auch damit erklärt werden, dass das Urheberrecht die kreative, gestalterische Darstellung von Inhalten schützen will, nicht jedoch die Inhalte selbst. Denn Wissen und Fakten sind – auch wenn sie wissenschaftlich, mit viel Arbeitsaufwand und hoher Kompetenz erarbeitet wurden – gemeinfrei und dürfen nicht monopolisiert werden.

schöpfungshöhe nicht erreicht – was folgt daraus?

Die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz muss deshalb gestellt werden, da in der Praxis gerne Forschungsdaten mit einer der CC-Lizenzen – meistens CC-BY – versehen werden. Diese, von der CreativeCommons-Organisation erstellten Lizenzen, sind nichts anderes als vorformulierte Standartverträge über die Verwendung von geistigem Eigentum. Die Krux hierbei ist jedoch, dass die Lizenzen grundsätzlich nur auf diejenigen Werke vergeben werden dürfen, die den Schutz des UrhG genießen. Im Umkehrschluss kann ich sie also nicht auf eigentlich gemeinfreie Forschungsdaten hängen. Geschieht dies doch, hat dies sowohl rechtliche als auch tatsächliche Folgen.
In rechtlicher Hinsicht bleibt die Lizenzierung von gemeinfreien Forschungsdaten für den Dateninhaber wirkungslos. Hält sich die andere Partei bei der Verwendung der Daten beispielweise nicht an die Namensnennung, kann diese nicht auf Grundlage einer etwaigen CC-BY-Lizenz gerichtlich eingeklagt werden. Denn die Lizenzbedingungen sind schlicht nicht erfüllt.

Auch faktisch hat die extensive Lizenzierung von sowohl urheberrechtlich geschützten als auch
gemeinfreien Forschungsdaten Konsequenzen. Denn wenn ich davon ausgehen muss, dass ein
Datenset möglicherweise gar keine CC-BY Lizenz bekommen hätte dürfen, weiß ich im Umkehrschluss auch nicht, welches Datenset zu Recht mit einer CC-BY Lizenz versehen wurde. Dies führt zu einer generellen Unsicherheit.

die apokalypse des forschungsdatenschutzes – sind wir alle verloren?

Psychologisch taktisch folgt auf die schlechte Nachricht nun die Gute: Forschende haben auch bei gemeinfreien Forschungsdaten ein Recht darauf, zitiert zu werden – und dies unabhängig davon, obdie Daten mit einem Public Domain Mark versehen werden oder nicht! Dies ergibt sich aus der für die Forschenden-Community auch rechtlich verbindlichen Guten Wissenschaftlichen Praxis. Diese wurde von vielen Universitäten als Satzung aus der Ethik ins Recht gehoben. Für außeruniversitäre Einrichtungen gilt dies ebenfalls – durch den Kodex der DFG! Darüber hinaus gelten die Grundsätze der Guten Wissenschaftlichen Praxis auch international.

und jetzt?

Selbstverständlich bleiben jetzt noch einige Fragen offen – dies durften wir auch auf unserem
Workshop feststellen. Denn wie eine Kennzeichnung entsprechend der Guten Wissenschaftlichen Praxis technisch und praktikabel umsetzbar ist und wie ein Schutz auch außerhalb der Forschenden-Community sichergestellt werden kann, muss noch geklärt werden. Aber auch hier dürfen wir von FAIRagro hoffentlich für Licht am Ende des Tunnels sorgen! Denn wir haben mit dem Workshop auch den Startschuss für eine „permanent legal working group“ gegeben, die sich nun intensiv mit den Bedürfnissen der Community auseinandersetzt und eine nachhaltige, FAIRe, und technisch realistische Lösung der Problematik vorzulegen erhofft.
Wenn auch Du Teil dieser working group sein möchtest, um die Interessen Deiner Community zu
vertreten und hautnah an der Entstehung einer praxisgerechten Lösung mitzuwirken, laden wir
herzlich dazu ein, mit uns Kontakt aufzunehmen unter: lea-sophie.singson@fiz-karlsruhe.de.

Dieser Beitrag ist lizenziert unter CC-BY 4.0.


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